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  • Alabama-Song

    Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny

    Tanzvideo zu dem gleichnahmigen Song aus der Oper “Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” (Kurt Weill, Bertolt Brecht)

    Hintergrund

    Eine jüdisch-deutsche Exilgeschichte

    Am 09.März 1930 wird die Oper “Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” in Leipzig uraufgeführt. Drei Tage später spielt Annelies Jolowicz bei der Premiere in Kassel die Hauptrolle der “Jenny”. Ein Gastengagement bei der National Broadcasting Company führt sie nach New York City. Aufgrund der zunehmenden Bedrohung durch die Naziherrschaft ist ihre Rückkehr in die Heimat unmöglich geworden. Die Sommerresidenz des Vaters Dr. Leo Jolowicz (Senior Chef der Leipziger Buchhandlung Fock) bei Leipzig ist enteignet.

    Dort gingen namhafte Zeitgenossen und Freunde der Jolowicz ein und aus, wie Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald, Igor Strawinsky und Thomas Mann.

    Fast 70 Jahre später trifft die Enkelin in Deutschland auf die Videokünstlerin Stefanie Sixt, die Anina von Molnar fragt, ob sie an dem Stück “Alabama Song” aus der Oper “Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” mitarbeiten möchte. Die beiden wohnen in der Heimatstadt Brechts. Bei der Recherche zur Videoproduktion entdecken die Künstlerinnen u.a. den oben beschriebenen, überraschenden Zusammenhang in der Geschichte. der sich motivierend und inspirierend auf ihre Arbeit auswirkt.

    “Alabama Song”

    Im Musikstück “Alabama” wird das Schicksal von Frauen thematisiert, die ihr bürgerliches Dasein aufgeben, um sich in der Stadt Mahagonny (Sodom und Gomorrha) der Prostitution hinzugeben. Der erstmals in der “Taschenpostille” (1926) veröffentlichte, von Elisabeth Hauptmann ins Englische übersetzte Text beschreibt den Prozess der Selbstfindung durch ein skrupelloses Ausleben der animalischen Menschennatur. An die Stelle der Moral tritt Alkohol, Sex und Geld. Der Genuss verkommt durch das Geld zur Ware.

    Dieses Frauenbild wirft eine große Polarität zwischen der proletarischen Hausfrau einerseits, dem Sexsymbol - der auf ein Produkt reduzierten Frau - andererseits auf. Der Wunsch nach individuellem Ausdruck wird im Gesamten unterdrückt. Auch wenn sich die Parameter dieser Spezifizierungen verschoben haben, so liegt unserer Gegenwart die gleiche Frage zugrunde: Die Problematik der Orientierung in einem in Rollenmuster gegliederten System im Allgemeinen.

    Realisation

    Die Tänzerin Anina von Molnar verkörpert in dem Clip “Alabama” drei Rollen: Sie ist Hausfrau (nüchterne Realität), Burlesquetänzerin (Sexualität) und letztlich sie selbst (Kunst). Der innere Kampf zwischen Authentizität und den auferlegten Beschränkungen der Rollenzwänge und unterschiedlichen Frauenrollen wird in ihrer Tanzform deutlich: Zunächst werden weichen, runden Bewegungen eckige, maschinell wirkende Brüche gegenübergestellt.

    In der Darstellung der Tänzerin, die die Kunst verkörpert, bricht sie schließlich aus dem System aus: Sie durchbricht die Beschränkungen, befreit sich aus dem Korsett der Selbst-Projektionen.

    Die jeweiligen Rollen werden durch Projektionen aus “Metropolis” und “Kuhle Wampe” verstärkt. (Hausfrau: Zeitungsartikel, Bilder von Kindern, Werbung (“Kuhle Wampe”); Burlesquetänzerin: Stadtsilhouetten (“Metropolis”), Szene am Küchentisch (“Kuhle Wampe”); Anina von Molnar: Naturszenen (“Kuhle Wampe”),

    Naturfotos (Stefanie Sixt).

    Die historischen Aufnahmen werden am Ende durch moderne ersetzt, der Betrachter löst sich von der Anlehnung an die Vergangenheit. Die Schwarz-Weiße Projektion verfärbt sich in Teilen Orange - das Ziel ist das Finden des Selbst und gehen über in Lila - die Farbe der Spiritualität. Denn nur wer sich selbst erkennt und im Einklang ist mit seiner Persönlichkeit, seinem Verstand und der übergeordneten Kraft (die wir Gott, Universum, Chi, usw. nennen können), der wird Frieden finden.

    Audio 

    Der Ton ist eine Collage verschiedener Elemente: Das Sound-Bett bildet der “Alabama Song”mit Lotte Lenya (1955), sowie in eine Songbearbeitung der Band Misuk (2009).

    Um den visuellen Kontrast der alten Schwarz/Weiß Bilder zu der digitalen, typografischen Projektion im Vordergrund zu verstärken, sowie den Betrachter auf Distanz zu bringen, werden vereinzelt durchdringende Maschinengeräusche und ein tiefes, vibrierendes Soundbett unterlegt (am Ende des Filmes tanzt Anina von Molnar auf diesen sphärisch anmutenden Sound).

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